Die Usbeken bringen es auch fertig

Im Sommer war ich unterwegs in Zentralasien und im fernen Osten. Dabei habe ich etwas entdeckt, was hierzulande leider noch Zukunftsmusik ist.

Die Usbeken bringen es auch fertig

Diesen Post habe ich ursprünglich für night-ride.ch verfasst, er wurde nicht auf die neue Website nightride.com übernommen. Weil es schade wäre, ihn zu löschen, lasse ich ihn hier leben.

Die letzten drei Monate hatte ich das Vergnügen, Asien zu bereisen – selbstverständlich (grossmehrheitlich) mit dem Zug. Zuerst ging es mit dem Nachtzug von Zürich via Budapest und Bukarest nach Istanbul. Nach einem Flug nach Urgench in Usbekistan reiste ich via Kasachstan und Kirgistan über China bis nach Hong Kong, alles grösstenteils mit Schnellzügen und dem gelegentlichen Nachtzug.

Mit 200km/h durch die Steppe

Dabei wurde einmal mehr klar, dass Europa in Sachen Digitalisierung teils arg hinterherhinkt. Für mich das ultimative Beispiel: als ich einen Nachtzug von Tashkent, der Hauptstadt von Usbekistan, nach Almaty in Kasachstan buchen musste. Die Reise im modernen Talgo-Zug dauert inklusive Grenzübertritt (wo Beamte ins Abteil kommen, um den Pass zu stempeln) etwa 18 Stunden und schlängelt sich durch eine atemberaubende Steppen- und Wüstenlandschaft.

Bequem: In jedem Wagen gibt es einen Wasserspender
Blick in den Speisewagen

Der moderne Zug und die makellose Pünktlichkeit waren eine willkommene Überraschung, hatte ich doch mit ganz anderem gerechnet. Die eigentlichte Überraschung begann jedoch bereits bei der Buchung. Die Usbeken haben es nämlich tatsächlich fertig gebracht: Sie haben eine App gebaut, die es erlaubt, einen grenzüberschreitenden Nachtzug buchen, der von einer anderen. Gesellschaft. betrieben. wird. Und das sogar ziemlich benutzerfreundlich und auf Englisch verfügbar. Die Bezahlung erfolgt via Krediktarte ebenfalls in der App, die PDF-Tickets erhält man dann per Mail.

Von der Verbindungs- zur Abteils-Auswahl (zugegeben: ein bisschen Russisch wird anscheinend immer noch vorausgesetzt)

Klar: das usbekische und auch kasachische Streckennetz ist einiges weniger komplex. Zudem wurden Digitalisierungsprozesse und Investitionen in die touristische Infrastruktur in diesen postsowjetischen Staaten wohl erst vor ein paar Jahren angestossen, dementsprechend weniger digitale "Altlasten" gab es zu beseitigen.

Trotzdem, so schwierig kann es ja anscheinend nicht sein. Hierzulande sieht es jedoch leider danach aus, dass wir uns noch ein paar Jahre gedulden müssen, bis wir grenzüberschreitende Nachtzugreisen bequem in der SBB-App buchen können. Dies zumindest lässt ein Bericht der CH-Media-Zeitungen befürchten.